Waschdra, die kleine Brombeerelfe

Jede Pflanze, jedes Blümchen hat seine eigenen Elfen und ich möchte dir hier gerne die Geschichte von Waschdra erzählen, die in großer Sorge um ihr Zuhause war, aber dann doch die Lösung für ihr Problem fand...

Waschdra, die Brombeerelfe

"Lass es mich mal so sagen", sprach Waschdra. Sie war die Kleinste von den fünf Brombeerelfchen aus der Steinallee 7a.

"Wenn das wirklich wahr sein soll, was Mischka da erzählt hat, dann werden wir bald umziehen müssen!" und während sie sprach, machte sie ein äusserst betrübtes Gesicht. Ihre kleinen violettfarbenen Flügelchen hingen traurig herunter und selbst ihre sonst so fröhlich wippenden Locken auf ihrem Kopf, schienen ebenfalls von der großen Sorge Waschdras ergriffen zu sein.

Waschdra kratzte sich nachdenklich am Kopf, während sie mit der anderen Hand über ihren rechten Flügel strich. "Es muß doch etwas geben, wie wir dieses Unheil abwenden können. Wir können das nicht einfach so geschehen lassen." Ihre Stirn runzelte sich und tiefe Falten überzogen das kleine Gesicht.

Windska schaute ebenfalls ziemlich traurig auf den Boden und zeichnete mit ihrem nacktem Füsschen einen Kreis in den Sand. Leise sagte sie:" Was können wir Brombeerelfen denn gegen solche Ungetüme ausrichten?" Ein tiefes Seufzen war zu hören.

Die beiden Brombeerelfchen lehnten sich gegen eine dicke Brombeerranke. Sie waren so zart und zierlich, dass sie immer noch zwischen die Dornen passten und diese ihnen nichts anhaben konnten.

Waschdra und Windska starrten auf den Boden und hingen ihren Gedanken nach - sorgenvolle Gedanken, denn was ihnen bevorstand war wirklich nicht zum Lachen oder ein Grund für Fröhlichkeit.

Mischka hatte ihnen vor ein paar Tagen erzählt, dass ihre hübsche Brombeerhecke entfernt werden soll. Sie hörte, wie sich die Hauseigentümer darüber unterhielten, dass die Brombeerhecke inzwischen so hoch und so breit geworden wäre, dass man kaum mehr durch den Garten käme, ohne sich an den Dornen zu verletzen. Nun soll ein Bagger kommen und die Hecke ausgraben.

Was aber viel schlimmer sei, hörte Mischka die Menschen sagen, dass die Ranken keine Früchte mehr hervorbringen würden.

Die Brombeerhecke soll weg - ihr Zuhause. Wo sollten sie dann hin? Als heimatlose

Elfchen durch die Welt ziehen und hoffen, dass sich irgendwo eine elfenlose Brombeerhecke findet? Nein, das durfte nicht sein. Schliesslich liebten sie ihr Zuhause. Es mag schon stimmen, dass in den letzten Jahren nicht mehr sonderlich viele Früchte an den Ranken zu finden waren, aber dafür hatten sie doch für eine wunderbare, hohe und dichte Hecke gesorgt.

Die Hecke ist ja nicht nur ihr Zuhause, auch viele Vögel haben sich darin ein Nest

gebaut und waren recht zufrieden. "Wenn ich so darüber nachdenke, wohnen hier immer weniger Vögel", bemerkte Waschdra. "Es sind sehr viele, leere Nester in unserer Hecke zu finden", grübelte sie weiter.

"Woran das liegen mag?" fragte Windska.

"Hmmmm...", war von Waschdra zu vernehmen und "Hmmm...", hörte man von Windska.

"Ich habs!" rief plötzlich Waschdra. "Wir werden die Vögel fragen!"

"Das ist eine wirklich gute Idee!", rief Windska. Die beiden Brombeerelfchen bekamen wieder funkelnde Augen und ihre Flügelchen flatterten aufgeregt.

"Los, Windska, lass uns die Vögel besuchen, sie werden uns sicher sagen, warum immer mehr von ihnen wegreisen!"

Gesagt, getan. Die Beiden flatterten ziemlich aufgeregt los, denn sie ahnten, dass sie der Lösung für ihr Problem auf der Spur waren.

Dort vorne an der 217ten Brombeerranke wohnte der Zaunkönig, aber als sie an seinem Nest ankamen, war es leer und es sah so aus, als ob es schon ziemlich lange nicht mehr bewohnt wäre.

Nein, nein, nicht entmutigen lassen, sagten sich die Elfchen und flogen hoch zur Brombeeranke 547, die sich weit in den Garten hineinreckte und viele kleine Extraranken hatte. Eine besonders schöne Ranke, wie die beiden Elfen fanden. Der Buchfing hatte sich vor einer Weile dort sein Nest gebaut und sich so sehr über seine schöne Wohnung gefreut. Doch auch hier fanden sie nur ein leeres Nest.

Die beiden Elfchen flogen von einem Ast zum anderen, aber sie fanden nicht einen einzigen Vogel, sondern nur leere Nester. Oh, oh.....

Erschöpft und traurig setzten sie sich am Abend in eine der Ranken und kleine, glitzernde Elfentränchen flossen über ihre Gesichter. Was sollten sie nur tun, wenn nun alle Vögel weg sind und sie keinen mehr fragen konnten, warum sie alle fort gehen?

In Gedanken sahen sie sich schon mit Rucksack durch die Nacht fliegen und unter Blättern schlafen, die sie nicht kannten.

Plötzlich vernahmen sie ein leises "Tschiiipp!" Es klang so herzzerreissend und ängstlich, dass die beiden Elfchen kurz ihren eigenen Kummer vergassen. Sie schauten sich um und hinter einer dicken Ranke sass ein kleines flauschiges Etwas und kuckte sie mit großen Augen an. Wieder war ein "Tschiipp!" zu hören und es klang noch kläglicher als vorher.

"Ja, du kleines Vögelchen, was sitzt du hier und tschiipst so jammervoll?"

fragte Waschdra. "Tschiipp - ich habe solchen Hunger, meine Mama ist fort geflogen und wollte mir etwas zu essen suchen, aber sie ist noch nicht zurückgekommen. Habt ihr etwas Feines für mich?" "Magst du Brombeeren?" fragte Windska. Der kleine Piepmatz nickte heftig mit seinem Köpfchen und schon flog Windska los um Brombeeren zu holen, doch es dauerte nicht lange, da kam sie zurück und ihr Blick verhiess nichts Gutes.

Etwas abseits landete sie und winkte Waschdra zu sich. Windska flüsterte Waschdra leise ins Ohr:"Waschdra, wir haben nicht eine einzige Brombeere an unseren Ranken!" Waschdra wurde bleich.

"Windska - ich glaube, das ist es!" entfuhr es ihr.

"Die Vögel finden nichts mehr zu Essen bei uns und deswegen sind sie alle weggeflogen. So, wie die Mutter des kleinen Piepmatzes! Wir haben viel zu viel Zeit beim Rankenwachsen vertrödelt und haben dabei die Früchte ganz vergessen. Dabei ist es nicht wichtig, wie hoch und weit, die Ranken wachsen, sondern dass sie Nahrung bieten für alle ihre Bewohner. Oh, ich schäme mich so!"

"Wir müssen schnell dafür sorgen, dass wieder Brombeeren an den Ranken wachsen und ich glaube, das ist dann auch die Lösung für unser Problem!" sprach Windska und sie zappelte ganz aufgeregt hin und her.

Waschdra klatschte in die Hände "Ja, lass uns schnell machen und hol die anderen her, damit wir mit vereinten Kräften los legen können." Sie streichelte dem kleinen, verlassenen Piepmatz über sein flauschiges Köpfchen und kuckte ihn liebvoll an:"Du wirst sehen, du bekommst ganz schnell etwas zu Essen. Wir sorgen schon dafür!"

In Waschdras Augen blitzte und funkelte es und wenige Sekunken später standen noch 4 kleine Brombeerelfchen bei ihr und auch in deren Augen war das selbe Glitzern und Funkeln zu sehen, wie in Waschdras Augen.

Die fünf Elfchen nahmen sich bei den Händen und schlossen die Augen. Leise Stimmchen waren zu vernehmen:

"Brombeerhecke, Heim und Glück,
zieh dich schnell ein Stück zurück!

Nur die Ranken, Dornen, Blätter -
sei der Vögel, Elfchens Retter.

Früchte wachsen, dick und rund
groß und saftig für jeden Mund.

Hurtig, hurtig, lasst es uns sehen
und jetzt sofort soll es geschehen!"

Kaum hatten die 5 Elfchen ihren Elfchenzauberspruch gesagt, ging ein Summen und Brummen, ein Rascheln und Krachen durch die Nacht. Die Elfchen flatterten durch die Brombeerhecke und streichelten über alle Ranken und Blätter. Violette, lilafarbene kleine Sternchen überzogen die gesamte Brombeerhecke und auf einmal konnte man sie sehen:

Dicke, rotlilafarbene Brombeeren - saftig und riesig schossen aus allen Ranken hervor und bald war die Hecke über und über voll mit den herrlichen Früchten.

Doch dann war es auf einmal ganz still.

5 Elfchen lagen glücklich lächelnd im Schutze der Brombeerblätter und schliefen.

In ihrer Mitte ein kleiner Piepmatz mit verschmiertem Mund, der ein zufriedenes und sattes Lächeln um seinen kleinen gelben Schnabel hatte und ebenfalls schlief.

Langsam wurde aus der Nacht der Tag und die Sonne stieg am Himmel hoch und kitzelte all die Blumen und Blätter wach und auch die Menschen erwachten.

"Schau dir das an!" hörte man eine Stimme, die sehr aufgeregt klang. "Was ist denn heute Nacht passiert? Was ist aus unserer Brombeerhecke geworden. Schau dir all die herrlichen Früchte an!" "Wie gut sie schmecken! So süss und so saftig, ein Wunder - wir haben schon so lange nicht eine einzige Frucht mehr gefunden."

Unter den Brombeerblättern wurden nun auch die Elfchen wach, nicht zuletzt von den lauten, überraschten Stimmen geweckt und sie rieben sich müde die Augen.

"Weißt du was? Wir lassen sie stehen, die Brombeerhecke. Es gibt niemanden in der

Umgebung, der so etwas Herrliches in seinem Garten hat und horch, wie fröhlich es aus den Ranken zwitschert!"

Da sassen sie, die Brombeerelfchen und der kleine Vogel und strahlten mit der Sonne

um die Wette. Die Elfchen hatten ihr Zuhause und ein hungerndes Vogelbaby gerettet und endlich gab es wieder Nahrung für all die anderen gefiederten Freunde, die bald wieder in ihre Nester zurückkehrten. Nicht zu vergessen, die Menschen, die sich an Brombeerelfchens Kräfte erfreuen konnten.