Die Familie Quiddel

Joachim Grösser stellt dem Elfenportal die Geschichte der Familie Quiddel zur Verfügung und bedanke mich recht herzlich.

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Die Familie Quiddel

von Joachim Größer

 

"Herzlichen Glückwunsch zu ihrem erworbenen Anwesen", sagte der freundliche ältere Herr und legte ein Schlüsselbund auf die Mappe. "Ich wünsche Ihnen viel Freude an Ihrer Immobilie." Dann verabschiedete er sich wortgewandt und ging hastig mit kurzen Trippelschritten zu seinem Auto.

Anton und Martin sahen sich an. "Hast du auch gehört, was der alte Mann beim Rausgehen gemurmelt hat?", fragte Martin. "Habe ich", antwortete ihm sein drei Jahre älterer Bruder, "nur klug geworden bin ich nicht daraus."

"Fragen wir doch Mama oder Papa", meinte Martin und stellte seinen Eltern die Frage. "Wisst ihr, warum der Makler beim Rausgehen `Viel Vergnügen mit den alten Hausbewohnern!´ gemurmelt hat?"

"Hat er das gesagt?", fragte der Vater. "Also, ich habe nichts gehört. Vielleicht habt ihr euch auch nur verhört." Damit war diese Angelegenheit für die Eltern erledigt. Sie freuten sich viel zu sehr, endlich ein Haus nach ihrem Wunsch und auch bezahlbar gefunden zu haben. Das Wohnhaus bot Platz für zwei Familien. Dazu kam eine alte Scheune, die zur Hälfte bereits zu Garagen ausgebaut war. Die ehemaligen Stallungen befanden sich in einem ordentlichen Zustand und ließen sich bestens als Hobbyräume oder ähnlichem ausbauen. Diese Idee musste auch schon der vorige Besitzer gehabt haben, denn seine Umbautätigkeit war unschwer zu übersehen. Diese drei Gebäudekomplexe wurden von einer richtigen Mauer eingeschlossen und das Tor zeigte einen schnurgeraden Weg, der mit alten Steinen gepflastert durch die Wiese und dem Wäldchen ins nahe Dorf führte.

Glücklich standen die Eltern mitten in ihrem Gehöft und begutachteten ihre Erwerbung. Was störte es sie, dass der Beamte im Grundbuchamt verwundert bemerkte, dass das Gehöft schon viele Besitzer hatte und dass oft ein jahrzehntelanger Leerstand vorhanden war. Auch die Frage des Notars, ob sie wüssten, warum dieses Anwesen - es gehörte auch Wald und Wiese dazu - so günstig zu erwerben sei, gab ihnen nicht zu denken und ließ sie nicht vom Kauf abbringen.

"Morgen haben wir Urlaub, Jungs! Ihr habt Ferien", sagte der Vater. "Dann renovieren wir und in einem Monat wird umgezogen!"

Maulend verschwanden die Brüder. So sehr sich ihre Eltern freuten, so sehr bedauerten sie diesen Kauf. Sie mussten täglich vier Kilometer bis zur Schule radeln. Im Winter, wenn Schnee lag und Fahrradfahren nicht möglich war, bedeutete das, wenigstens einen Kilometer bis zur Hauptstraße zu laufen und dann auf den Schulbus zu warten. Aber das schlimmste für sie war, dass ihre Freunde nun nicht mehr sofort erreichbar waren. Es tröstete sie auch nicht der Hinweis ihrer Eltern, dass mit dem Fahrrad sechs Kilometer doch keine Entfernung seien. So vertrieben sie ihren Ärger über diesen Umzug, indem sie so oft sie konnten, sich aus dem Gehöft davon stahlen.

So wollten sie auch heute mit "Wir sind um Fünf zurück, dann helfen wir!" sich vom Grundstück entfernen.

"Hiergeblieben!", erschallte es barsch. "Morgen will ich das Kinderzimmer tapezieren. Heute muss die Tapete runter. Das ist eure Arbeit!"

"Papa, muss das sein? Yannik wartet doch auf mich." Anton machte ein sehr betrübtes Gesicht.

"Und auf mich wartet Lucas. Wir haben uns extra für heute verabredet!" Martin schloss sich seinem Bruder an. Doch ehe ihr Vater darauf antworten konnte, hielt ihnen ihre Mutter das Handy hin: "Ruft an! Sagt, dass ihr renovieren müsst!"

Damit war der Nachmittag für die Brüder unhaltbar verdorben. Martin und Anton wussten, dass gegen die geballte Macht der Eltern ihre besten Argumente wie Schnee in der Sonne schmolzen.

Maulend und betont ihre Unlust zeigend, schlenderten sie in die ehemaligen Stallungen,

um die Eimer zu holen. Als Anton die alte Tür quietschend öffnete, huschte etwas Schwarzes an ihnen vorbei.

"He, hast du die Katze gesehen!", rief Martin und sprang der schwarzen Katze hinterher. Schon mehrfach hatte die Jungs versucht, die fast wilde Katze, sie musste vom ehemaligen Besitzer hier zurückgelassen worden sein, zu fangen. Doch fauchend und kratzend hatte sie sich immer wieder befreien können. Sie hielt das Anwesen frei von Mäusen und machte sich so eigentlich recht nützlich. Nur mit Menschen hatte sie nichts im Sinne. Waren es ihr schlechten Erfahrungen mit den Zweibeinern oder war sie nur dem Kontakt mit dem Menschen entwöhnt - sie hielt es immer für das beste, kamen ihr zwei Beine entgegen, sich schnellstens in eines ihrer vielen Verstecke zu flüchten.

So verschwand sie blitzschnell durch einen Spalt in einem Bretterverschlag, der sich für Martin als eine sich zu öffnen lassende alte Tür entpuppte. Ein Lichtstrahl aus einem fast blinden kleinem Fenster fiel auf die schwarze Katze. Sie stand fauchend vor den beiden Jungs und versuchte gleichzeitig, mehrere kleine schwarze Kätzchen vor den Brüdern zu verbergen.

"Oh sind die süß!", rief Martin und griff nach einem schwarzen Winzling. "Aua!", schrie er wütend und zeigte Anton seine heftig blutenden Kratzwunden. Der drückte seinem Bruder einen alten Besen in die Hand und befahl: "Scheuche mir die Alte weg!"

So gingen sie nun im Halbdunkel der Stallung gemeinsam gegen das schwarze "Untier" vor. Die schwarze Katze verteidigte ihre Jungen mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln. Selbst als der alte Besen so zerfetzt war, dass er diesen Namen nicht mehr verdiente, gaben die Brüder nicht auf. In einem glücklichen Moment gelang es Anton, ein kleines schwarzes Kätzchen zu fassen. "Ich habe eins!", verkündete er und hielt Martin seine Hand mit dem Kätzchen entgegen. Doch just in diesem Augenblick wandelte sich das schwarze niedliche miezende Kätzchen in ein bitterlich weinendes Kind. Nicht größer als ein Daumen lag es auf Antons ausgestreckter Hand.

"Jeh, was ist denn das?" , flüsterte Anton erschrocken.

"Was soll das denn sein! Ein Elf natürlich!", fauchte die schwarze Katze. Verdattert starrten die Brüder auf den Boden. Stand doch dort die "Schwarze" und sprach zu ihnen mit menschlicher Stimme. "Lasst ihr nun mein Kind wieder frei?!"

Erschrocken setzte Anton den Winzling ganz vorsichtig zurück in das Katzennest. Kaum lag der kleine Elf bei seinen Geschwistern als er zu einem schwarzen Kätzchen wurde.

"Gut so?", fragte Anton die schwarze Katze. Die nickte und mauzte leise. Dann ging sie vorsichtig zu ihren Kindern und beleckte die Jungen.

"Ich glaube immer noch nicht, was ich gesehen und gehört habe", flüsterte jetzt Martin. "Ob du mich mal kneifen kannst, Anton?" Dieser Aufforderung kam sein Bruder gern nach.

"Au, bist du verrückt! Das tut doch weh!" Martin rieb sich den Arm.

"Gut, dann hast du alles richtig gesehen und gehört", antwortete ihm Anton schmunzelnd. "Mich brauchst du nicht kneifen. Ich glaube, was ich gesehen habe. Nur erklären kann ich mir das nicht." Anton machte ein sehr tiefsinniges Gesicht und betrachtete dabei die schwarze Katze und ihre Jungen. "Ob uns vielleicht der Elf dieses Wunder erklären kann?", murmelte er, aber so laut, dass Martin ihn verstand.

"Genau, Anton! Die `Schwarze´ kann uns das erklären!", rief er, beugte sich zur Katze hinunter. Die ging sofort in Abwehrstellung und fauchte Martin an.

"Hab doch keine Angst, `Schwarze´. Ich tue dir bestimmt nichts. Aber kannst du uns das mit dem Elf erklären - was das ist, was ein Elf macht und ..., ach du weißt schon! Eben alles über euch. Ja, machst du das?" Martin säuselte die Worte so freundlich und nett, dass die Katze ihm mauzend antwortete: "Also gut. Wir sind ja sowieso dazu verurteilt, uns euch in menschlicher Gestalt zu zeigen." Sie schüttelte sich und vor den Augen der Jungs verwandelte sie sich in eine Frau mittleren Alters. Sie hatte langes schwarzes Haar. Gekleidet war sie in einer Tracht, wie sie schon lange nicht mehr getragen wurde. Auch die Kätzchen verwandelten sich in kleine menschliche Wesen. Sie setzten sich erschrocken dicht nebeneinander und blickten zu ihrer Mutter auf. Die verlangte jetzt aber von Anton und Martin das Versprechen, dass niemand - auch nicht ihre Eltern - von den Elfen erfahren durfte.

Nachdem die Brüder der Elfe ihr Schweigen zugesichert hatte, sagte die Frau: "Über welche Kräfte ein Elf verfügt habt ihr selbst gesehen. Brecht euer Schweigen nicht, denn sonst kann es euch schlecht ergehen. Wir Elfen gehören einem uralten Geschlecht an. Wir lebten mitten unter den Menschen, halfen ihnen mit unserem großen Können. Elfen und Menschen waren Freund bis es Menschen gab, die unsere Fähigkeiten, unsere besondere Kraft für sich nutzen wollten, um sich über andere Menschen als Herrscher zu erheben. Weigerten sich meine Vorfahren, wurden sie arglistig in einen Hinterhalt gelockt und gefangen gehalten. Sie kamen nur frei, wenn sie diesem Menschen bedingungslos gehorchten. Zu unserer Ehre sei gesagt, dass es nur wenige Elfen gab, die sich so frei kauften. Die meisten meiner Vorfahren verhungerten in feuchten kalten Verliesen. So beschlossen die wenigen freien Elfen, die sich dem Zugriff der Menschen entziehen konnten, nicht mehr in menschlicher Gestalt zu leben. Unsere besondere Fähigkeit, andere Gestalten anzunehmen, half uns, fern von Menschen zu überleben. Da aber unsere richtige Gestalt die menschliche ist, zog es uns doch immer wieder zu den menschlichen Behausungen. Auch verlieren wir unsere angenommene Gestalt, wenn uns ein Mensch berührt. So, Anton und Martin, das ist die Geschichte der Elfen."

"Wir haben noch nie etwas von euch gehört, stinmmt´s Anton", sagte Martin leise. Anton nickte zustimmend. "Ja, Elfen kennen wir nur aus Märchen. Aber in Wirklichkeit? Dass es euch gibt, glaubt uns sowieso keiner. Wenn wir von euch erzählen würden, würde man uns für etwas verdreht oder noch eher für völlig verrückt und übergeschnappt halten."

"Wir haben euer Versprechen, dass ihr schweigen werdet. Haltet es!", antwortete die Elfe sehr ernst. "Aber in diesen Erzählungen, in den Märchen der Menschen kommen Elfen vor. So wurde die Erinnerung an uns wachgehalten. Vieles stimmt zwar nicht, was man da über uns sagt, aber die Menschen wussten, dass es uns gibt."

"Meinst du etwa, das Märchen vom Däumeling ist wahr? Oder die Geschichten von den Heinzelmännchen?", fragte Martin erstaunt.

"Ja, ja Martin", antwortete ihm die Frau schmunzelnd. "Däumeling nannten die Menschen dieses Elfenkind. Es war ein Ur-, Ur-, Ur-, Ur- und noch viele Urahns meiner Sippe. Dieser Elf lebte mehrere Jahre bei den Menschen. Auch die Heinzelmännchen waren Elfen. Es war eine befreundete Familie in Köln, so nennt ihr doch die große Stadt."

"Das wird ja immer verrückter!", äußerte Anton seine Gedanken. "Märchen sind wahr! Keine Phantasieerzählungen!" Das glaubt mir keiner!"

"Es ist so, Anton!" Die Elfe schien sich köstlich über Antons ungläubiges Gesicht zu amüsieren. "Habt ihr noch Fragen?"

"Wie sollen wir Sie denn anreden?", fragte Martin. Martin erschien es angebracht, diese Frau aus dem uralten Geschlecht der Elfen mit dem höflichen "Sie" anzureden.

"Unsere Sippe nennt sich Quiddel. Also nenne mich Quiddel."

"Und Ihre Kinder?", fragte Anton. Auch Anton wollte jetzt betont höflich sein.

"Quiddel. Wir alle heißen Quiddel, auch mein Mann, meine Mutter, mein Großvater, mein Urgroßvater...", antwortete ihm lächelnd Frau Quiddel. "Soll ich weitere Mitglieder der großen Quiddel-Sippe aufzählen?"

"Nicht notwendig, Frau Quiddel", sagte jetzt Anton lachend, "ich habe es verstanden."

Martin war die ganze Zeit beim Grübeln. Als die Frau Quiddel über ihren Namen und ihre Sippe erzählte, hörte er kaum hin. Kaum war das Zwiegespräch zwischen Frau Quiddel und seinem Bruder beendet, prustete er seine Frage heraus: "Die Heinzelmännchen waren doch ungeheuer fleißig und sehr geschickt. Seid ihr das auch?"

"Ja natürlich, Martin. Alle Elfen besitzen diese Eigenschaft. Wir können alles, na ja fast alles,

was man von uns verlangt." Die Elfe schaute Martin erwartungsvoll an. Und richtig, Martin stellte die Aufgabe, die sie lösen sollte. "Äa, hm, na ja ich hätte da noch eine Frage, Frau Elfe, ich meine Frau Quiddel..., äh... können Sie auch alte Tapete von den Wänden lösen?"

Jetzt war es gesagt und neugierig musterte Martin Frau Quiddel. "Ach Martin, das können doch schon meine Kinder. Hast du nicht eine schwierigere Aufgabe für mich?"

"Vielleicht unser Kinderzimmer tapezieren?", mischte sich jetzt Anton in das Gespräch ein.

"Einverstanden, schwierig ist das zwar auch nicht. Wann soll ich anfangen?"

"Am besten gleich, wenn es geht!" Martin war hellauf begeistert, doch die Elfe bremste ihn: "Für unsere Arbeit verlange ich aber einen Lohn und das ist sehr viel." Die Brüder schauten sich an. Hätte man jetzt Gedanken lesen können, dann .... Ihre Gesichter jedenfalls verrieten diese Gedanken. Frau Quiddel fuhr fort: "Ihr müsst uns versprechen, dass wir hier bleiben können. Das ist die erste Forderung! Die zweite lautet: Für jede Arbeit, die wir für euch erledigen, erhalten wir Milch oder andere menschliche Nahrung. Ihr müsst wissen, diese Mäuse hängen uns schon zum Halse heraus und schmecken roh widerlich, chää widerlich." Zur Veranschaulichung ihres Ekels vor den Mäusefraß schüttelte sie sich heftig und die kleinen Elfen taten es ihr nach. "Bää!", ließen sie hören. "Widerlich!"

"Wenn das alles ist?!" Martin und Anton strahlten. "Das ist gebongt, Frau Quiddel!, "rief Martin freudig aus.

Anton stellte der Elfe noch eine Frage. Ihm war nämlich in den Sinn gekommen, was der Makler beim Verabschieden gesagt hatte. Das "Viel Vergnügen mit den alten Hausbewohnern!" hatte er immer noch im "Ohr".

"Frau Quiddel, was würde geschehen, wenn wir euch kein Bleiberecht für das Gehöft geben würden?", fragte er deshalb.

"Oh", antwortete Frau Quiddel lächelnd, "ihr und eure Eltern hätten keine Freude am alten Gehöft. Viel Seltsames und Unheimliches würde geschehen."

"Und wenn wir dann aber sagen würden, dass das nur die Elfen seien?", antwortete ihr Anton.

Und wieder lächelte die Elfe bei ihrer Entgegnung: "Würde dir das einer glauben? Deine Eltern? Deine Lehrer? Deine Freunde?"

"Ist gut, Frau Quiddel. Ich habe es verstanden!" Jetzt musste Anton lächeln. "Eine kluge Frau Quiddel ist sie", murmelte er.

"Wir sind alle klug!", erschallte es jetzt aus den Mündern der Quiddel-Kinder.

Anton nickte nur zu dem Chor der Kleinen. Martin hatte in der Zwischenzeit einen Plan entwickelt, wie die Brüder den Eltern die Quiddel-Familie "unterschieben" konnten.

So marschierten die Brüder, jeder hatte einen mit Wasser halbvoll gefüllten Eimer in der Hand, zum zukünftigen Kinderzimmer. Die schwarze Katze und ihre Jungen strichen um ihre Beine. Anton wollte sich gerade an der geöffneten Tür zum Wohnzimmer, indem die Eltern renovierten, vorbeischleichen, als der Ruf "Oh, sind die süß!" die Brüder erstarren ließen. Ihre Mutter kam zu ihnen und wollte ein Kleines greifen. Sofort fauchte die "Schwarze" und stellte sich, einen fürchterlichen Buckel machend, schützend vor ihre Kinder.

"Nicht anfassen, Mama!", schrie Martin rechtzeitig, "Die `Schwarze´ kratzt sofort!" Zur Bestätigung seiner Aussage hielt er seiner Mutter die Hand mit den tiefen Kratzwunden hin.

"Wenn sie halbwild sind, gehören sie aber nicht ins Haus", mischte sich jetzt ihr Vater ins Gespräch ein. Jetzt versuchte Anton, die Situation zu retten. "So wild sind sie nicht! Wahrscheinlich haben sich sehr lange keine Menschen mehr um sie gekümmert. Wir wollten den Jungen ein wenig Milch hinstellen. Sie sollten sich so wieder an Menschen gewöhnen!"

"Ja, macht das Jungs!", sagte die Mutter. "Gebt der Alten auch etwas. Wenn sie auf dem Gehöft bleiben, haben wir gute Mäusefänger!"

"Bestimmt!", rief Martin erfreut. Und Anton meinte auch, dass die Katze ein guter Mäusejäger sei. Als wollte die "Schwarze" dies bestätigen, mauzte sie und ihre Kleinen stimmten in dieses Gemauze ein. So verschwanden die Brüder und ihre Katzen ins zukünftige Kinderzimmer. Sie schlossen die Tür hinter sich, die "Schwarze" wandelte sich zur Frau Quiddel. Da wurde die Tür aufgestoßen und ihre Mutter steckte den Kopf ins Zimmer. "Habt ihr schon Namen für die Katzen?", fragte sie.

"Schwarze!", antwortete Martin und Anton sagte hastig: "Ja, wir wollten sie Quiddel nennen!"

"Schwarze passt zu der Alten und Quiddel passt zu den süßen Kleinen. Na ja, einigt euch, aber gewöhnt sie nur schnell an euch. Wir können sie gut auf dem Gehöft gebrauchen, auch die jungen Kätzchen!"

Die Tür schloss sich. "Uff!", stöhnte Anton. "Das war knapp!" Als ihre Mutter die Tür aufstieß, hatte er gerade zur Frau Quiddel geschaut. In einer nicht zu beschreibenden Geschwindigkeit konnte er sehen, wie sich Frau Quiddel zur "Schwarzen" wandelte. "Wie machen Sie das Frau Quiddel?", fragte er jetzt die Elfe.

"Ich sagte doch, Anton, wir haben besondere Fähigkeiten." Frau Quiddel stand lächelnd vor Anton. "Nun aber an die Arbeit! Wir wollen uns doch die Milch verdienen, Kinder."

Die Kätzchen hatten auch ihre Menschengestalt angenommen und standen in einer Reihe vor ihrer Mutter. "Wir sind bereit und freuen uns auf die Arbeit!", sagte das wohl Älteste. Frau Quiddel strahlte: "Brav gesprochen, Quiddel! Du trittst bestimmt in die Fußstapfen deines Vaters!" Sie drehte sich zu den Brüdern um und sagte zu ihnen: "Ich werde Herrn Quiddel rufen. Er wird sich auch freuen zu hören, dass wir auf diesem Anwesen in Ruhe leben können. Das wird heute ein Festtag werden." Lächelnd fügte sie hinzu: "Und Milch ist Herrn Quiddels Leibgericht!" Sie hüpfte in der Menschengestalt auf den Fenstersims, öffnete das Fenster und mauzte mehrmals laut. Zurück auf dem Fußboden nickte sie, als ein ganz leises "Miau" zu hören war. "Martin, öffne bitte meinem Gemahl die Türen. Er bringt eine Maus mit. Zeige Herrn Quiddel deinen Eltern und zeige ihnen auch die Maus. Eure Eltern sollen zufrieden mit uns Mäusefänger sein.

Als Martin verschwand, bat sie Anton: "Anton, holst du bitte die Milch. Wenn´s geht, schön kühl? So mag es Herr Quiddel."

Auch Anton verließ das Zimmer. Jetzt kam die Stunde der Elfen. In einer atemberauschenden Geschwindigkeit nässten sie die Tapete, lösten sie dann von der Wand, wischten den Boden auf und als Anton mit einem großen Gefäß voller Milch und einer Schüssel zurückkam, standen Frau Quiddel und ihre Kinder erwartungsvoll vor Anton. Der sah gar nicht zu ihnen, sondern stieß mit einem lauten "Wauh!" seine Verwunderung heraus. "Unwahrscheinlich! Das glaubt mir keiner! Ich war doch höchstens zwei Minuten weg! Alles ist fertig, alles ist sauber!"

Martin empfing indessen an der Haustür einen kräftigen schwarzen Kater. Im Maul trug er eine besonders fette Maus. Mauzend stellte er sich vor Martin auf. Der begrüßte ihn leise: "Willkommen Herr Qiddel! Ich stelle Sie jetzt meinen Eltern vor." Und Herr Quiddel folgte Martin auf dem Fuße.

An der offenen Wohnzimmertür rief Martin seinen Eltern zu: "Hier ist noch ein `Schwarzer´! Das scheint der Kater zu sein. Er bringt den Kleinen ihr Futter!"

"Oh, das ist ein schönes Tier", meinte der Vater und beugte sich zu Herrn Qiddel hinunter. Als er die Hand nach dem Tier ausstreckte sprang der Kater knurrend zurück. "Ist ja gut, `Schwarzer´, sagte er, "wir werden uns schon noch anfreunden."

Martin machte, dass er mit Herrn Quiddel aus der Reichweite seiner Eltern kam. Im Kinderzimmer wandelte sich Herr Quiddel zu einem Mann mit leicht angegrautem Haar. Auch seine Kleidermode entstammte einer längst vergangenen Zeit. Derbe lederne Kniehosen, ein großkariertes wollenes Hemd und halbhohe Schnürschuhe bildeten sein Outfit. Frau Quiddel berichtete in kurzen Worten über ihre Begegnung mit den Menschen und als Herr Quiddel das Wort "Milch" hörte, strahlten seine Augen. "Wenn ihr eure Arbeit schon getan habt, so lasst uns diesen Tag mit einem kühlen Schluck Milch feiern", rief er freudig. "Aber vorher will ich diesem Mäuschen seine Freiheit wiedergeben." Er sprang auf den Fenstersims, das Fenster war noch geöffnet und entließ die noch lebende Maus in die Freiheit. Zurück auf dem Fußboden schüttelte er sich. "Bääh, Mäuse! Und dazu noch roh!" Und er schüttelte sich nochmals. Im Chor schüttelten sich auch die Quiddelkinder und ihr "Bääh!" bekräftigte ihre Abneigung zum Mäusefraß.

Verlegen stand Anton mit der Schüssel und dem Milchgefäß vor der Quiddelfamilie. "Ich habe jetzt aber keine Tassen oder Becher mit. Wie wollt ihr jetzt die Milch trinken? Wollt ihr sie als Katzen aus der Schüssel schlecken?"

"Um Himmelswillen! Milch aus der Schüssel schlürfen?! Wir sind doch Elfen!" Herr Quiddel griff in eine unergründlich tiefe Hosentasche und zog einen kleinen Zinnbecher hervor. "Damit trinken wir klares Quellwasser, wenn wir unsere Menschengestalt annehmen können", kommentierte Frau Quiddel die Handlung ihres Mannes. Als aber Herr Quiddel Anton den Becher hinhielt und der ihn mit köstlicher Milch füllen wollte, griff Frau Quiddel energisch ein. "Halt Quiddel! Zuerst die Kinder! Du kannst warten!" Die Quiddelkinder zückten jetzt ihre Trinkbecher. Nur hatte Anton jetzt Schwierigkeiten, diese kleinen Becher zu füllen. Als ein Tropfen Milch daneben fiel, griff erneut Frau Quiddel ein. "Milch zu verschütten bedeutet Unglück, Anton. Überlasse mir das Einschenken."

Anton stellte auf ihr Geheiß den Milchkrug auf den Fußboden ab und Frau Quiddel füllte jedes Becherchen randvoll mit köstlicher Milch. Kein Tropfen ging daneben. Herr Quiddel sah gerührt seinen Kindern beim Trinken zu. Nur als Frau Quiddel den Kleinen ein zweites Mal und dann sogar ein drittes Mal die Becher füllte, sagte er: "Bitte, lass einen kleinen Schluck für mich zurück, nur einen kleinen Schluck."

Frau Quiddel guckte in den Krug. "Ein halber Becher wird es wohl noch", sagte sie schmunzelnd.

Herr Quiddel war´s zufrieden, nur dass er keinen halben Becher sondern zehn trank. Auch Frau Quiddel konnte mehrere Becher trinken. Glücklich, sich seinen prallen Bauch streichend, meinte Herr Quiddel: "Es war gut, dass du die beiden Menschenkinder getroffen hast, Quiddelchen."

"Ich glaube auch, dass das ein Glücksfall war", antwortete ihm seine Frau. "Herrje!", rief sie aus. "Ich habe doch den Martin so sehr gekratzt. Das muss ich schnell in Ordnung bringen!" Sie griff in ihre große Schürzentasche und zog ein kleines Schächtelchen heraus. "Die Salbe heilt deine Wunden bis morgen früh, Martin. Entschuldige nur, dass ich dir weh getan habe."

Sie bestrich die Kratzwunden mit der Salbe. "So", sagte sie, "jetzt können wir tapezieren!"

Doch das war den Brüdern gar nicht recht. "Das können wir erst morgen machen", antwortete Anton. "Wir können doch unseren Eltern nicht erklären, wie wir so schnell arbeiten konnten."

"Ist schon recht", meinte Herr Quiddel zufrieden. "Ein voller Bauch ist auch nicht gut zum Arbeiten. Ich suche mir ein schönes Plätzchen zum Schlafen."

Er sprach´s und verwandelte sich in den Kater. Seine Kinder taten es ihm gleich. Und so wie der Kater durch offene Fenster hinaus auf den Hof sprang, taten es auch die Kätzchen.

"Ach, was macht man nur mit solch einem ungehobelten Herrn Quiddel", mauzte Frau Quiddel, auch schon zurück verwandelt. "Hätte sich wenigstens bedanken können."

"Ist schon gut, Frau Quiddel", entgegnete Anton, "wir müssen uns für eure Hilfe bedanken!"

"Gern geschehen!" Das "Bis morgen!" mauzte Frau Quiddel bereits auf dem Hof.

Dass die Brüder Anton und Martin die Elf-Familie entdeckt hatten, war wirklich ein Glückstag für die ganze Familie. Wie weggeblasen war der Unmut der Jungs über den Umzug ins alte Gehöft. Jetzt drängten sie aufs Tempo der Renovierungsarbeiten und immer, wenn ihnen etwas zu lange dauerte, boten sie den Eltern ihre Hilfe an. Und wie die Eltern staunten! Es gab wohl keine handwerklichen Fertigkeiten, die ihre beiden Jungs nicht beherrschten. Als einmal ihr Vater seine große Verwunderung über ihre ungeahnten Talente ausdrückte, bat Anton die Familie Quiddel, doch etwas unsauberer zu arbeiten und etliche Fehler in den Arbeiten zu hinterlassen. Entrüstet äußerte Herr Quiddel seinen Unmut über solch eine Forderung: "Menschenkinder, ihr wisst wohl nicht, dass die Elfen die besten Handwerker auf der ganzen weiten Welt sind!? Und die Quiddels sind die aller-, allerbesten Handwerker. Wir gaben unser Wissen und Können an andere Elf-Familien weiter. Wir sind die Profis unter den Elfen, so sagt ihr Menschen doch zu den besten Könnern! Wir sind..."

Hier unterbrach ihn Frau Quiddel: "Genug Eigenlob, Quiddel! Sieh dir lieber mal deinen Zapfen an. Ich glaube er ist uneben!"

Herr Quiddel lief knallrot an, öffnete den Mund zur Gegenrede und beugte sich dann aber schweigend wieder verbissen über seine Tischlerarbeit. Erst nach etlichen Minuten hörten die Jungs sein leises Murmeln: "Pfusch! Ich, ein Quiddel, liefere Pfusch! Oh Frau Quiddel, der Vorwurf ist nicht angebracht."

Die Ferienzeit ging vorbei und der Umzug stand bevor. Selbst die zweite Wohnung war schon soweit renoviert, dass die Großeltern ebenfalls in Kürze einziehen konnten.

Am ersten Schultag gab es einige verwunderte Fragen der Mitschüler. So wurde Anton gefragt, ob es stimme, dass dort nachts ein Monster die Menschen erschrecke. Auch Martin hörte furchtbare Sachen über das alte Gehöft. Nicht nur von furchtbaren Spukerscheinungen wussten die Mitschüler zu berichten, sondern dass auch verwunschene Menschen in den alten Gemäuern noch heute leben sollten. Als Martin nachfragte, woher denn seine Schulkameraden diese Kenntnisse hätten, erfuhr er von einer alten Frau, die als Kind selbst diese furchtbaren Erscheinungen gesehen haben will. Und diese Alte erzählte jedem, den sie auf der Straße oder beim Einkaufen traf, ihre Gruselschichten vom alten Gehöft.

Martins bester Freund Lucas fragte ihn ernsthaft, ob er schon mal Spukerscheinungen gesehen hätte. Als Martin dies lachend verneinte, glaubte ihm Lucas das nicht so recht. "Na dann überzeuge dich doch selbst!", sagte Martin. "Ich bitte meine Eltern um Erlaubnis, zu Halloween eine Gruselparty für meine Freunde geben zu dürfen. Schlafen könnt ihr dann auch bei uns und zwar auf dem Dachboden. Dort gruselt es so wunderschön!"

Natürlich gaben die Eltern die Erlaubnis und da Anton die Idee wunderbar fand, wollte er auch seine Freunde zu Halloween einladen.

Bis zu diesem Gruselfest war aber noch viel Zeit. Die Großeltern zogen mittlerweile in die nun fertig renovierte zweite Wohnung ein. Der Alltag nahm seinen Lauf - auch bei Familie Quiddel. Sie fingen eifrig Mäuse, fraßen sie aber nicht. Sie wussten es so einzurichten, dass irgendeiner der Erwachsenen eine schwarze Katze mindestens einmal täglich mit einer Maus im Maul sehen konnte. "Prima Mäusefänger!", sagten die Erwachsenen dann.

Die Quiddelkinder wuchsen zu prachtvollen jungen Katzen heran und waren der ganze Stolz des Herrn Quiddel. "Prachtvolle Burschen!", knurrte er immer, wenn einer seiner drei Söhne wieder eine große dicke Maus gefangen hatte. Da aber die Mäuse immer wieder freigelassen wurden, ging der "Vorrat" an Mäusen nie aus.

Frau Quiddel unterrichtete ihre zwei Töchter in der Zubereitung menschlicher Speisen. Da alle der Quiddelsippe die Speisen der Menschen mit großem Genuss aßen, wollte die Frau Quiddel, dass ihre Töchter diese Speisen auch zubereiten konnten.

Immer weniger Arbeit gab es im Gehöft. Herr Quiddel beklagte sich deshalb sogar bei Anton. Und der suchte jetzt nach einer Möglichkeit, Herrn Quiddel neue Arbeit zu verschaffen. Der Zufall half ihm. Großvater schimpfte fürchterlich auf seinen alten Computer, der mal wieder nicht so wollte, wie er. "Ich repariere ihn", sagte Anton mit strahlendem Gesicht. "Du? Kannst du das denn?", erwiderte Großvater verwundert.

"Ich probier`s Opa!" Und im Nu wechselte der alte Computer den Besitzer. "Wenn er nach deiner Reparatur überhaupt nicht mehr geht, ist es auch nicht schlimm. Ich habe doch meinen neuen", hörte Anton den Großvater noch sagen. Im Kinderzimmer stellte sich Anton ans offene Fenster und mauzte. Wenige Augenblicke später hüpfte Herr Quiddel als "Schwarzer" ins Zimmer. "Können Sie den Computer reparieren?", fragte ihn Anton. "Ich kann alles!", bekam er zur Antwort. "Was ist das denn?"

"Ein Personalcomputer, kurz PC genannt, Herr Quiddel."

"Ein Per.., ein Peronaka-uter? Habe noch nie etwas davon gehört. Macht aber nichts!" Herr Quiddel drehte mehrere Runden um den Computer. "Aha", sagte er dann, "hier wird er geöffnet." In Windeseile löste er die Verschraubungen und starrte erschrocken auf das Innere. Seine Verwirrung über das, was er da sah, machte ihn sprachlos.

"Er wird zu heiß und stürzt immer ab. Wahrscheinlich ist die Grafikkarte auch zu alt und die zweite Festplatte hat eine Macke", hörte Anton seinen Großvater sagen. Unbemerkt von Anton hatte Großvater das Zimmer betreten. Anton starrte erschrocken zu Herrn Quiddel, doch der strich mauzend als "Schwarzer" an den Stuhlbeinen entlang. "Ich probier mal, was ich da machen kann, Opa", erwiderte Anton.

Kaum hatte Großvater das Zimmer verlassen, als Herr Quiddel wieder in Menschengestalt sich selber schalt: "Das war knapp, Herr Quiddel! Habe doch fast vor lauter Verwunderung den Großvater nicht kommen gehört!" Dann wandte er sich Anton zu: "In meinem ganzen Quiddelleben sage ich jetzt etwas, was ich glaubte, nie sagen zu müssen: Anton, ich weiß nicht, was das ist! Ich weiß nicht, wie ich das reparieren soll!"

Anton sah einen völlig fassungslosen Herrn Quiddel auf dem Fußboden sitzen. Er starrte in das Innere des Computers und schüttelte immerzu vor lauter Verwunderung den Kopf. Herr Quiddel konnte einem wirklich leid tun. Da hatte Anton eine Eingebung. Er rannte los und stürzte mit einem Stapel Computerbücher ins Zimmer. "Hier, Herr Quiddel! Hier steht bestimmt alles drin, was Sie brauchen, um den Computer reparieren zu können!", rief er freudig aus. Doch Freude war auf Herrn Quiddels Gesicht nicht zu erkennen. Er hatte ein Buch aufgeschlagen und gleich wieder zugeklappt. Kleinlaut bekannte er dann: "Ich kann nicht lesen, auch nicht schreiben. Keiner unserer großen Quiddelsippe kann das."

Jetzt war guter Rat teuer. "Na ja, Herr Quiddel. Das ist doch nicht schlimm. Ich sage dem Großvater, dass der Computer nur noch Schrott ist. Opa hat doch den neuen." Anton versuchte so Herrn Quiddel zu trösten. Doch der schüttelte sich energisch. "Nein, Anton! Das sagst du dem Großvater nicht! Ich werde den Comm..., Commuter, na du weißt schon, ich werde dieses komische Ding reparieren. So wahr ich Quiddel heiße!"

Er hüpfte aufs Fenster und mauzte mehrfach. Es musste ein Alarmmauzen gewesen sein, denn die ganze Quiddelfamilie sprang ins Zimmer. Hier verkündete Herr Quiddel seinen Entschluss: "Höre, Frau Quiddel und auch ihr, ihr prächtigen Mädchen und Buben! Höret, welchen Entschluss ich gefasst habe. Man hat mir eine Aufgabe gestellt, die ich nicht lösen kann. So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch zukünftig nicht geben. Damit ich die Arbeit bewältigen kann, muss ich lesen. Ich kann aber nicht lesen und ihr alle auch nicht. Deshalb habe ich beschlossen, wir lernen lesen und schreiben. Das war´s! Basta!"

Wenn Herr Quiddel "Basta!" sagte, war sein Entschluss zu einem sogenannten "Quiddel-Gesetz" erhoben. So fragte auch nur Frau Quiddel: "Wer lehrt uns diese Kunst der Menschen?" Über Herrn Quiddels Antwort staunte jetzt Anton: "Natürlich Anton und Martin, basta!"

"Ich?", fragte Anton sehr erstaunt. "Natürlich, du! Ich hatte doch basta gesagt - oder nicht?!"

Da Anton von diesem berühmten "Basta!" schon gehört hatte, verkniff er sich eine Erwiderung. Und Herr Quiddel setzte noch eins drauf: "In 10 Minuten nach Menschenzeit beginnen wir zu lesen!"

So begann der Unterricht. Martin löste Anton ab und Anton den Martin. Alles, was die Quiddels machten, machten sie schnell und gründlich. In einer Woche konnten sie fließend lesen, nach zwei Wochen schreiben. In der dritten Woche lasen sie sämtliche Bücher, die die Jungs hatten. Jetzt ließen sie sich nicht stören und vergaßen sogar den täglichen Mäusefang. "Ist das interessant!" und "Was es nicht alles gibt!" hörte man sie sagen. In der vierten Woche begann Herr Quiddel mit der Reparatur des Computers und alle Quiddelsöhne mussten helfen. Nach einer Stunde verlangte Herr Quiddel Ersatzteile, die aber Anton erst kaufen musste. Er opferte sein ganzes Gespartes und bei der nächsten Aufforderung nach weiteren Ersatzteilen, zerschlug Martin sein Sparschwein.

Am Ende der vierten Woche wurde Großvater ins Kinderzimmer geholt. "Opa, schalt mal ein", bat Anton. Großvater, der den Computer schon längst abgeschrieben hatte, betätigte den Schalter. "Je, das gibt es doch nicht!", rief er erfreut aus. "Du hast das hinbekommen, Anton?!"

"Nein, nein, andere haben den größeren Anteil daran." Anton war sehr verlegen bei dieser Antwort. Da außer Anton nur noch Martin und die Katzenfamilie im Zimmer war, heimste Martin das Lob ein. "Nee, Opa, es waren noch andere", wehrte Martin das Riesenlob seines Großvaters ab. "Dann sagt den anderen schönen Dank von mir, Jungs! Das habt ihr prima gemacht. Hattet ihr Auslagen für Ersatzteile?" Und Opa blätterte mehrere große Geldscheine auf den Tisch. "Der Rest ist für die anderen", meinte er grienend. Und die anderen mauzten ihr Danke. Ab jetzt war Großvater nicht mehr ansprechbar. "Der ist ja schneller als mein neuer PC", "Wie haben die das nur mit dieser Glas-Oberfläche hingekriegt?!" und "Warum habe ich mir nur einen neuen Computer gekauft!" hörten Herr Quiddel und seine Söhne mit großer Freude. An diesem Tag fingen alle männlichen Quiddelfamilienmitglieder gleich mehrere Mäuse und präsentierten sie den Eltern der Brüder.

Nur noch drei Tage blieben für die Vorbereitung des Halloweenfestes. Aber diese Zeit war mehr als ausreichend. Besonders Frau Quiddel und ihre Töchter taten sich jetzt hervor. Sie kochten, brieten und buken nach einem Koch- und Backbuch für Gruselpartys. Als Großmutter den beiden Jungs in der Küche helfen wollte, wehrten diese schnell ab. "In einer Stunde kannst du kosten, Oma", meinte Martin und rührte geschäftigt den Kuchenteig. Anton schnitt verlegen Halloweenfiguren aus einem ausgerollten Teig und wehrte auch jede Hilfe ab. Die Kostprobe danach fiel überwältigend aus. Großmutter nahm die Schüssel mit Plätzchen und "Das muss eure Mutter kosten! So etwas Feines und Köstliches!" war dann nur noch zu hören. "Danke Frau Quiddel!", sagte Martin. Doch jetzt wehrte Frau Quiddel ab: "Nein Martin. Dies Lob verdienen meine Töchter!" Und Frau Quiddel blickte stolz zu ihren Töchtern, die vor Freude erröteten.

Das Halloweenfest kam und fast wäre es ein trauriges Fest geworden. Großvater stieg auf den Dachboden. Hier sollten Martins und Antons Freunde im weichen Heu schlafen. Um seine Halloweenüberraschung anzubringen, kletterte er ins Gebälk. Doch er rutschte aus und stürzte zwischen zwei Balken. Da eingeklemmt schrie Großvater um Hilfe, doch keiner hörte diesen Ruf. Nur die Katzen, es waren alle sieben, kletterten um ihn herum und mauzten kläglich. Dann glaubte Großvater seinen Sinnen nicht mehr. Der Kater und die anderen Katzen nahmen menschliche Gestalt an. "Wir sind die Quiddels", hörte Großvater den Mann sprechen. "Wir helfen Ihnen, Großvater!"

 

So erfuhr Großvater die Geschichte von den Quiddels. Damit diese liebenswerte Familie Quiddel auch weiterhin in Frieden und Ruhe mit den Menschen leben kann, wurde einiges in dieser Geschichte verändert. So gebe ich gern zu, dass das Gehöft frei erfunden ist. Aber Anton, Martin, ihre Eltern und Großeltern gibt es wirklich. Und natürlich auch Herrn und Frau Quiddel, ihre prachtvollen Söhne und Töchter! Glaubt mir, ich spreche die Wahrheit!